Leseprobe „Nur keine Angst vor der Angst“

Vorwort

Wir alle möchten glücklich und entspannt mit unseren Lieben das Leben genießen. Doch das ist manchmal gar nicht so einfach. In unserer schnelllebigen Zeit werden wir regelmäßig vor neue Herausforderungen gestellt, die uns auch mal deutlich überfordern können. Es entstehen Konflikte, wir fühlen uns gestresst, und manchmal – oder immer öfter – kann sich dieser Stress auch in Ängsten manifestieren, als Phobien, Panikattacken oder auch in länger anhaltenden Angstzuständen.

Ich selbst arbeite seit neun Jahren mit Menschen mit verschiedensten Ängsten und habe viel über den Hintergrund dieser Ängste und deren Bewältigungsstrategien gelernt. Und doch habe ich erst wirklich verstanden und voll nachvollziehen können, was Menschen mit Ängsten durchmachen, als ich selbst vor mehreren Jahren eine Panikattacke erlitt und danach für zwei Monate mit Angstsymptomen zu kämpfen hatte. Diesmal sah ich die Angst nicht von außen, sondern tauchte tief in die Angsthölle ein und spürte die Angst unmittelbar selbst. Da ich mich schon viel mit Ängsten beschäftigt hatte, kannte ich gute Strategien hinaus aus der Angst und konnte diese relativ schnell umsetzen, auch wenn ich ein paar Dinge für mich neu herausfinden musste. Jetzt im nachhinein bin ich dankbar für diese Erfahrung, denn sie hat mir ein tieferes Verständnis meiner selbst und auch anderer Menschen gegeben. Weiter hinten im Buch werde ich noch ausführlicher über meinen persönlichen Weg hinaus aus der Angst erzählen.

Ich kenne also sehr gut die verschiedenen Seiten der Angst. Ich weiß, wie sehr Sie darunter leiden und möchte Sie daher gleich zu Beginn dieses Buches herzlich dazu ermutigen, die Heilung Ihrer Ängste anzugehen. Sie sind nicht alleine mit Ihren Ängsten und Zweifeln. Unzähligen Menschen ging es so wie Ihnen, sie waren verzweifelt und fragten sich, ob sie denn ihr ganzes Leben in Angst verbringen müssten. Und unzählige Menschen haben sich auf den Weg gemacht, haben sich mit ihren Ängsten auseinandergesetzt und sie – ganz oder teilweise – wieder aufgelöst. Mit diesen Zeilen möchte ich Sie an die Hand nehmen und Sie dabei unterstützen, die Angst loszulassen und wieder mehr Freiheit, Freude und Selbstbestimmtheit in Ihr Leben zu bringen.

Auch wenn jeder seine ganz individuelle Weise hat, mit Ängsten umzugehen, gibt es doch allgemein gültige Faktoren und Hilfen, die ich hier aufzeigen möchte. Im ersten Teil dieses Buches geht es um grundlegendes Wissen über die verschiedenen Formen der Angst, wie sie entsteht und was sie mit uns macht. Bitte überspringen Sie diesen Teil nicht, denn wenn Sie verstehen, was bei Ängsten geschieht, wird schon allein das Ihnen helfen, Ihre Ängste zu reduzieren. Der zweite Teil des Buches erfordert Ihre Mitarbeit und Hingabe. Hier zeige und erkläre ich die verschiedenen Pfade, mit denen Sie Ihre Angst loslassen lernen. Vielleicht ist nicht jeder einzelne genau richtig für Sie, doch wenn Sie mehrere dieser Pfade wählen, entlanggehen und die Hinweise beherzigen, wird es Sie zwangsläufig auf einen breiteren Weg führen, auf dem Sie wieder ruhig und gelassen gehen können, da Sie wieder gelernt haben, sich selbst und dem Leben zu vertrauen und Ihre Angst – und die Angst vor der Angst – verloren haben.

Teil 1: Angst und Panik verstehen

So unterschiedlich können Ängste sich zeigen

Sie sind nicht allein mit Ihrer Angst. Ängste gehören zu den häufigsten Beschwerden, über die Menschen jeden Alters klagen, und jeder von uns hat sich schon einmal mehr oder weniger ängstlich erlebt. Sich hin und wieder vor etwas zu fürchten, ist auch ganz natürlich, denn unser Leben hält immer wieder Unvorhergesehenes und Überraschendes für uns bereit, und manchmal auch durchaus Unangenehmes. Wenn die Ängste etwas stärker werden, fangen sie allerdings an, die Betroffenen im Alltag einzuengen, und ungefähr jeder zehnte Mensch wird in seinem Alltag durch sie stark eingeschränkt, indem er alle Situationen oder Dinge vermeidet, die mit der Angst zusammen hängen.

Vielleicht leiden auch Sie darunter und haben bis jetzt gedacht, dass man nichts gegen diese Ängste unternehmen kann, oder Ihre bisherigen Strategien haben nichts oder nur wenig gefruchtet. Doch hier ist eine gute Nachricht:

Sie können Ihre Ängste beeinflussen und lernen,sie auflösen, auch wenn Sie verzweifelt sind, weil bis jetzt nichts geholfen hat, auch wenn Sie die Ängste schon sehr lange haben, auch wenn Ihre Angst stark ist oder Sie viele verschiedenen Ängste haben.

Dazu müssen Sie sich mit diesen Ängsten auseinandersetzen und die bisherige Strategie der Vermeidung aufgeben. Es ist unumgänglich, die Angst zu hinterfragen, zu spüren und ihre Botschaft zu verstehen, um sie auflösen zu können. Und natürlich ist es gerade dies, was Sie nicht machen möchten, denn es ist unangenehm und – natürlich – Angst auslösend. Wenn Sie sich aber überwinden und die Übungen in Teil 2 des Buches machen, werden Sie nach und nach, Schritt für Schritt, die Angst mehr und mehr loslassen und wieder die Freiheit und Unbeschwertheit spüren, die Sie einmal als Kind besaßen.

Ängste loslassen bringt Ihnen viele Vorteile:

• neue Freiheit, sich entscheiden zu können (und nicht von der Angst irgendwo hingeschubst oder gelähmt werden)
• neue Spontaneität (denn Sie müssen sich nicht so viele Sorgen machen)
• mehr Zeit für Sie und für das, was Sie wirklich gerne tun möchen (denn Sie müssen nicht mehr so viel planen und voraussehen)
• Sie fühlen sich viel entspannter und gesünder (denn die ständige Angstanspannung löst großen Stress in Geist und Körper aus und macht krank)
• Sie sind glücklicher und gelassener und können Ihr Leben viel mehr genießen (denn Sie müssen sich ja nicht ständig um bedrohliche Dinge kümmern)
• Sie verstehen sich besser mit Ihren Mitmenschen (denn Sie kreisen nicht mehr ständig um die eigene Angst und sind offener für andere Menschen).

Hören Sie nicht auf diejenigen, die Ihnen weissmachen möchten, dass es nur wenig Hoffnung gibt, wenn man schon viele Jahre Ängste hatte oder dass Sie lernen sollten, damit zu leben, da Sie sowieso ein hoffnungsloser Fall wären. Das ist nicht wahr. Selbst wenn man schon jahrzehntelang voller Angst lebt, kann man lernen, wieder angstfrei oder nahezu angstfrei zu leben. Das haben schon unzählige Menschen gezeigt, die heute ihre Ängste überwunden haben. Diese Ängste können sich in ganz unterschiedlichen Formen zeigen:

Panikattacken

„Ich bekomme jeden Tag mehrere Male Panikattacken. Das fängt schon früh morgens an, wenn ich zur Arbeit muss. Es wird mir flau und mein Bauch grummelt schon, wenn ich zum Auto gehe. Im Auto, das ich noch nicht gestartet habe, überkommt mich Schwindel und ich habe das Gefühl, keine Luft zu kriegen. Dann gehe ich wieder ins Haus, um mich zu beruhigen, und es wird besser. Mehrere Minuten später gehe ich wieder zum Auto und fahre schnell los, komme aber nicht weit. Ich muss nach wenigen Kilometern am Waldrand halten, weil ich anfallsartigen Durchfall habe. Außerdem bekomme ich keine Luft, mein Herz rast, mir ist schwindlig und ich bin ganz benommen. Dann gehe ich wieder nach Hause, um mich zu beruhigen. Zu Hause werden die Symptome immer schnell besser. Dann fasse ich mich wieder, denn ich muss ja in die Fabrik, und ich fahre wieder los, und diesmal komme ich an. Wenn ich in der Fabrik bin, sind die Symptome nur abgeschwächt da, ich kann also arbeiten und niemand bekommt etwas mit. Aber ich habe eine Riesenangst, dass ich es bald nicht mal mehr mit mehreren Versuchen schaffe, zur Arbeit zu gehen.“
Paul S., 35 Jahre alt

„Ich bekomme oft Panikattacken, einfach so, aus dem Nichts heraus. Fast jeden Tag, immer bei bestimmten Auslösern. Wenn irgendjemand was von mir will, wenn ich einen Anruf machen soll, wenn ich mir etwas vornehme, was mich Überwindung kostet. Es fing an, nachdem ich eine stressige Phase einer Prüfungsvorbereitung hatte. Ich wollte zu einer Prüfung in meinem Studium gehen, dann bekam ich plötzlich keine Luft mehr und sah eine Art Lichtblitze. Inzwischen kommen sie manchmal schon, wenn ich einkaufen gehe und an der Kasse kurz warten soll, das halte ich nicht aus und ich muss dann schnell raus aus dem Laden. Am schlimmsten ist es spät abends oder nachts, da habe ich Angst, wieder eine neue Panikattacke zu kriegen und zu sterben und niemand ist da, der mir helfen kann. Sehr oft fahre ich dann ganz in die Nähe der Pforte der Notaufnahme, 200 Meter entfernt, parke und verbringe einige Stunden der Nacht dort. Ich habe mir ausgerechnet, dass wenn ich mal überhaupt keine Luft mehr bekommen sollte, ich es noch schaffen könnte, bis zur Pforte zu rennen und sie mir helfen könnten. Ganz am Anfang war ich mehrere Male in der Notaufnahme, doch die Symptome verschwanden schnell, als ich dort war, und ich kam mir blöd vor. Ich weiß nicht, wie es weiter gehen soll, ich kann nicht mehr richtig studieren, ich werde langsam depressiv, ich verliere meine Freunde, und alle denken, ich übertreibe; es ist genau das, was ich mir unter der Hölle vorstelle.“
Elisabeth, 26 Jahre alt

Diese beiden Beispiele zeigen deutlich, dass Panikattacken einem buchstäblich das Leben zur Hölle auf Erden machen können. Oft beginnt es wie ein Blitz aus heiterem Himmel, und danach ist nichts mehr so, wie es vorher war. Meist denken Menschen, die ihre ersten Panikattacken erleiden, dass es sich um ein körperliches Problem handeln muss; kein Wunder, denn die Symptome sind auch stark körperlicher Natur. Diese Symptome lassen sich allerdings leicht durch das, was physiologisch im Körper geschieht, erklären. Häufig gibt es bestimmte Auslöser, die die Panikattacke auslösen, wie dass etwas von einem gefordert wird wie einkaufen gehen oder vor anderen Menschen zu sprechen.
Die häufigsten Symptome während eines Angstanfalls sind:

  • Benommenheit, Schwindel und Schwächezustände
  • Herzklopfen oder Herzrasen,
  • Übelkeit oder ein flaues Gefühl im Bauch
  • Schweißausbrüche, Hitzewallungen
  • starkes Zittern
  • Atemnot oder Erstickungsgefühle, Hyperventilation
  • Herzschmerzen oder Engegefühl in der Brust
  • Realitätsverlust, das Gefühl, nicht mehr ich selbst zu sein
  • seltsame Empfindungen in Kopf, Armen und Beinen
  • Angst, verrückt zu werden oder die Kontrolle zu verlieren
  • Angst, einen Herzinfarkt oder Hirnschlag zu erleiden

Wenn mehrere dieser Symptome plötzlich und gleichzeitig auftreten und mehrere Minuten anhalten, spricht man von einer Panikattacke (vorausgesetzt, die Symptome wurden nicht durch körperliche Probleme wie z.B. von der Schilddrüse ausgelöst). Normalerweise schwächt sich eine Panikattacke nach wenigen Minuten bis zu einer halben Stunde ab.

Die erste Panikattacke wird meist durch eine belastende Situation ausgelöst, die einen auf Dauer überfordert. Meist hatten die Betroffenen ein sehr anstrengendes Jahr hinter sich, mit Prüfungen, Trennungen, Umzug oder Ähnlichem. Bei den meisten Menschen gibt es dann noch einen akuten Auslöser, der ihnen einen kleinen Schock versetzt. Das kann eine schlechte Nachricht sein oder ein Streit, etwas, was man unter normalen Umständen nicht einmal als besonders belastend bewerten würde. Doch das bringt dann das Fass zum überlaufen, und die erste Panikattacke überfällt einen völlig unerwartet, oft sogar in einer entspannten Situation.

Das ist besonders quälend, denn man hat keine Ahnung, was los ist. Kein Wunder, dass sich die meisten Menschen mit der ersten Panikattacke ihres Lebens in der Notaufnahme wieder finden – wo die Symptome in der Regel schnell wieder nachlassen. Doch der Betroffene ist alarmiert, und die Angst vor der Angst (von der wir noch später sprechen werden) begünstigt weitere Panikattacken, bis die Angst und die dazugehörigen Vermeidungsstrategien das Leben bestimmen.

Für Menschen, die an Panikattacken leiden, ist es sehr wichtig, zu verstehen, was physiologisch im Körper abläuft, denn viele Symptome können sich durch die Angstreaktion und die hormonelle Veränderung dabei erklären lassen. Und schon alleine das Wissen darüber, wie eine Panikattacke entsteht und wie der Ablauf ist, hilft vielen Menschen, ihre Panikattacken in Häufigkeit und Stärke beträchtlich zu reduzieren.
Es leiden viele Menschen an Panikattacken; jeder achte hat schon einmal eine erlebt. Und viele Menschen haben sie auch mit den richtigen Strategien wieder losbekommen.

Phobien

Phobien sind eine übersteigerte irrationale Angst vor bestimmten Dingen wie z.B. Tieren, Messern, spitzen Gegenständen oder bestimmten Situationen wie Auto fahren, dem Fliegen oder vor anderen Menschen zu sprechen. Es hängt sehr von der Phobie ab, wie einschränkend sie sich im Leben auswirkt. Wenn man nur Angst vor Spinnen hat, wie es sicher 30 % aller Menschen in Deutschland haben, kann man ganz gut damit leben, wenn man den Spinnen eben ausweicht oder im Fall der Fälle jemanden herbeiruft, der sie entfernt. Da muss man nicht sein Leben ändern, um dem Objekt der Angst auszuweichen. Etwas einschränkender ist es schon, wenn man an Höhenangst leidet oder Angst vor dem Fliegen oder Auto fahren hat. Das kann schon etwas lästiger sein. Meist hat der Betroffene nicht nur Angst vor dem Ding oder der Situation, sondern auch vor den Konsequenzen, die eine Konfrontation haben könnte, z.B. wenn ich dem Hund näher komme, beißt er mich oder wenn ich fliege, stürze ich ganz sicher ab. Das kann ebenfalls zu starken Angstreaktionen mit Herzrasen, Schweißausbrüchen und Übelkeit oder Schwindel führen, die allerdings sofort wieder nachlassen, wenn die angstbesetzte Situation vorbei ist. Phobien lassen sich gut und schnell vor allem mit energetischer Psychologie (EFT) behandeln, das geht einiges schneller als nur mit Verhaltenstherapie.

Generalisierte Angststörung

„Schon meine Mutter war immer sehr ängstlich, und egal, was ich vorhatte, sie umgab mich ständig mit ihren Sorgen und Eintrichterungen, dass die Welt draußen gefährlich ist. Leider habe ich das übernommen, und nach meinem Arbeitsplatzwechsel, der mehr Stress und Druck für mich brachte, wurden meine Ängste und Sorgen immer schlimmer. Ich stehe morgens schon mit einem mulmigen Gefühl auf, dass etwas Schlimmes geschehen wird. Ich bin den ganzen Tag angespannt und nervös und wenn ein kleiner Stressfaktor zusätzlich kommt, bekomme ich Schweißausbrüche und Herzrasen. Ich vermeide öffentliche Verkehrsmittel, und seit einiger Zeit fühle ich mich auch in meinem Auto nicht mehr sicher. Ich leide furchtbar darunter, kann es aber auch nicht abstellen. Mein Partner, der mich eigentlich unterstützt, bekommt langsam genug von meinen ständigen Ängsten, er kann es einfach nicht nachvollziehen. Ich schränke ihn auch ein, denn ich muss immer genau wissen, wo er ist und rufe ihn oft an, wenn er nicht bei mir ist. Ich habe furchtbare Angst, dass er mich verlässt, aber was soll ich tun? Oft denke ich, es wäre das Bese für alle, wenn ich mich einfach umbringen würde.“
Karin P., 41 Jahre alt

Von einer generalisierten Angststörung spricht man, wenn man sehr oft und anhaltend Ängste hat, die auf keinen bestimmten Auslöser oder Situation gerichtet sind. Oft sind die Ängste so stark vorhanden, dass sie das gesamte Leben einschränken, ohne dass der Betroffene wirklich sagen könnte, wovor er Angst hat. Grundsätzlich kann sich diese Angst dann auf alles richten, was das tägliche Leben betrifft: Angst vor Menschenmengen, Auto fahren, vor Telefonaten, vor dem aus dem Haus gehen und vor allen möglichen alltäglichen und einfachen Situationen. Hinzu kommt noch eine vage Angst vor Erkrankungen oder Unfällen, die ihn selbst oder die eigenen Angehörigen treffen könnten.

Diese ständigen Sorgen und Ängste sind sehr beeinträchtigend und belastend und zeigen sich auch in körperlichen Symptomen.wie dauernde Anspannung, Kopfschmerzen, Bauchschmerzen, Atembeschwerden und Schwindel. Im Grunde können alle Symptome der Panikattacken auch hier auftreten. Oft kommen noch Depressionen hinzu. Der Betroffene kann häufig nicht mehr arbeiten gehen und seinen Alltag bewältigen und ist ständig erschöpft.

Diese grobe Kategorisierung der Ängste ist natürlich nur ein Hilfsmittel. Die Angst kann viele Gesichter haben. Viele Menschen können sich nicht klar einer Gruppe zuordnen, weil sie z.B. eine Mischung von Panikattacken und einer generalisierten Angststörung haben. Das Wort „Angststörung“ ist vielleicht auch selbst nicht ideal, weil es wie eine fest stehende Erkrankung klingt. Und das ist Ihre Angst nicht. Ihre Gefühle und Ihre Ängste sind in einem ständigen Wandel begriffen, und Sie müssen bestimmte Dinge immer wieder tun und denken, um diese Ängste, unter denen Sie so leiden, auf diese Weise am Leben zu halten. Natürlich tun Sie das in der Regel unbewusst, sonst würden Sie es ja ändern. Sie wissen nur noch nicht, welche Strategien Sie anwenden sollen, um nicht immer wieder dieselben Ängste neu zu kreeiren. Doch jedem Menschen ist es möglich, seine nicht hilfreichen Gedanken und Einstellungen zu ändern, und damit wird auch die Angst weniger.

Noch ein Hinweis zu Beginn: Bevor Sie anfangen, mit diesem Buch zu arbeiten, lassen Sie sich vorher von einem Arzt untersuchen, damit Sie sichergehen können, dass keine körperliche Erkrankung bei Ihnen vorliegt. Einige Erkrankungen lösen ähnliche körperliche Symptome wie die Angstsymptome aus (wie z.B. eine Schilddrüsenüberfunktion). Das ist auch generell eine gute Idee, da viele Ängste auch mit der Angst vor Krankheit zu tun haben und eine guter Befund Sie in dieser Hinsicht beruhigen wird.

… viel weiter hinten im Buch:

Liebe

Vielleicht gibt es doch ein universelles Heilmittel gegen die Angst, sozusagen eine Medizin, die fähig ist, schlimmste Leiden und Ängste zu lindern. Das ist die Freundschaft und die Liebe. Schon bei Neugeborenen hängt ihr körperliches Gleichgewicht und ihre seelische Entwicklung davon ab, wieviel Zuwendung sie bekommen. Wer hat noch nicht von den erschreckenden Experimenten in vergangenen Jahrhunderten gehört, in denen Babys komplett ohne Ansprache und Berührung nur mit dem Nötigsten versorgt wurden, um zu sehen, wie diese darauf reagierten. Diesen Babys fehlte etwas Fundamentales für ihr Gedeihen, nämlich Liebe und Berührung. Sie starben alle innerhalb eines halben Jahres.

Nicht nur für Babys, sondern auch für uns erwachsene Menschen ist Liebe und Freundschaft einer der wichtigsten Faktoren für unser Wohlergehen. Auch wenn wir für diese Behauptung im Grunde keinen wirklichen Nachweis brauchen, gibt es doch zahlreiche Studien, die auf die Bedeutung der Liebe hinweisen. Eine Studie z.B. zeigte, dass die Lebenserwartung verwitweter Männer sehr viel geringer ist als die der Männer, deren Ehefrauen noch am Leben sind. In einer anderen Studie über an Brustkrebs erkrankten Frauen wurde gezeigt, dass die Frauen, die zuvor angegeben hatten, es fehle ihnen an Liebe in ihrem Leben, innerhalb von fünf Jahren doppelt so häufig starben wie die Frauen der anderen Gruppe. Es muss nicht einmal unbedingt die zwischenmenschliche Liebe sein. Eine Studie zeigte, dass Menschen mit Haustieren sich weit besser fühlten und sehr viel weniger ihren Arzt aufsuchten. Die Besitzer von Hunden und Katzen leiden auch seltener an Depressionen. Eine Studie zeigte, dass Menschen, die ein Haustier besaßen, nach einem Herzinfarkt ein sechs Mal geringeres Risiko hatten, in dem Jahr nach dem Infarkt zu sterben, als diejenigen, die kein Tier um sich hatten. Natürlich ist das für Haustierbesitzer nichts Neues, dass man sich mit Tieren ausgeglichener und besser fühlt.

Eine interessante Richtung der Psychologie beschäftigt sich mit der Frage, warum Menschen so unterschiedlich auf schwierige Lebensbedingungen reagieren. Es gibt einen bedeutenden Prozentsatz an Menschen, die auch nach Kriegssituationen und schweren traumatischen Erlebnissen psychisch gesund bleibt und keine Ängste, Depressionen oder posttraumatische Stresssymptome entwickelt. Diesen Menschen spricht man eine hohe Resilienz zu. Wie man heraus fand, ist der beste Schutz gegen Ängste und Stress Bindung, d.h. wenigstens eine feste Bezugsperson im Leben, mit der man liebevoll verbunden ist, die sich um einen kümmert und einem Geborgenheit schenkt. Es ist genau diese Liebe und Freundschaft, die Menschen gesund erhält. Menschen mit hoher Resilienz haben die Fähigkeit, auf andere Menschen zuzugehen, förderliche Beziehungen einzugehen und sich Unterstüzung zu holen, wenn es nötig sein sollte, ob von Menschen oder Institutionen.

Wir können also die Bedeutung der Liebe und der Freundschaft nicht genügend wertschätzen. Wie in zahlreichen Gedichten und Liedern erwähnt, lässt die Liebe tatsächlich alle Ängste dahinschmelzen. Wenn wir jemanden lieben können, haben wir Abwehr und Angst vor ihm verloren. Wenn wir etwas lieben können, haben wir keine Angst mehr davor. Ein schönes Beispiel erzählte mir kürzlich ein Freund. Er wollte in eine Einzimmerwohnung umziehen, hatte sich aber in die Vorstellung hinein verbissen, dass der Vormieter vielleicht in dieser Wohnung gestorben war. Das war natürlich eine recht irrationale Angst, aber sie war nun mal da, und er fühlte sich unsicher und ängstlich. Als eine Art Selbstterapie begann er, sich vorzustellen, dass er diesen fiktionalen Vormieter, der gestorben war, vielleicht lieben könnte. Vielleicht war das ja ein sehr liebenswerter Mensch gewesen, mit dem er gerne Freundschaft geschlossen hätte. Und so konnte er sich mit dem Gedanken anfreunden, dass jemand in dieser Wohnung gestorben war und konnte ohne Ängste in die Wohnung einziehen. Natürlich waren diese Ängste auf die Angst vor dem Tod zurückzuführen, und die Annahme und Liebe meines Freundes hatte seine Angst vor der Nähe zum Tod überwunden.

Das Leben ist um so lebenswerter, je mehr Liebe wir im Leben spüren. Damit ist nicht nur gemeint, wieviel Liebe wir von anderen Menschen bekommen, sondern vor allem, wieviel Liebe wir in uns spüren und auch anderen Menschen und Tieren geben. Hier möche ich ein paar hilfreiche Fragen vorstellen, von denen Sie sich vielleicht inspirieren lassen möchten: Wie könnte ich auf andere Menschen zugehen? Wie könnte ich mehr lieben? Wem könnte ich etwas Gutes tun? Mit wem möchte ich Freundschaft erleben? In welcher Situation möchte ich Liebe spüren? Welche Abwehr könnte ich aufgeben? Wenn wir unsere Ängste überwinden und unseren Widerstand loslassen, wird das automatisch mehr Liebe hervorbringen. Es gibt manchmal Menschen, deren Liebe so umfassend ist, dass sie so gut wie keine Ängste mehr haben. Je mehr Liebe, um so weniger Angst, und das könnte auch eine gute Leitlinie für uns sein.

Die Angst vor dem Tod

Als ich damals einer Freundin von meinen Ängsten erzählte, sagte sie: „Ich wundere mich eher darüber, dass nicht viel mehr Menschen Panikattacken haben. Eigentlich sind wir völlig alleine und jeden Tag gehen wir einen Schritt mehr auf den Tod zu, da muss man doch Angst kriegen!“ Dieser Satz beschreibt einen grundlegenden Konflikt unseres Daseins. Wir haben Familie, Freunde, sind mit unseren Mitmenschen verbunden, aber auf gewisse Weise müssen wir vollkommen alleine durchs Leben gehen. Wir haben das Gefühl, unsterblich zu sein, wissen aber vom Verstand her, dass wir – zumindest unser Körper – mit völliger Sicherheit sterben werden.

Meist verdrängen wir den Tod erfolgreich aus unserem Leben und unserem Bewusstsein. Wir haben das Gefühl, ewig zu leben. Eine plötzliche
Panikattacke kann dieses innere Gefühl völlig auf den Kopf stellen, denn durch diese massive Todesangst wird uns unmittelbar unsere eigene Sterblichkeit bewusst. Alle Sicherheiten, die man sich bis dahin aufgebaut hat, alles, was uns Schutz gibt, die Familie, die Freunde, das Haus, die Versicherungen, haben gegen den (drohenden) Tod keine Chance. Alles im Leben unterliegt unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten, doch dass wir sterben werden, das ist uns völlig gewiss. Und das macht uns Angst, denn hier können wir nicht mehr ausweichen oder eine neue Strategie finden, wir können vor dem Tod nur kapitulieren und versuchen, ihm ins Auge schauen. Wir sind hilflos angesichts des Todes und es fällt uns sehr sehr schwer, das Unentrinnbare zu akzeptieren. Diese Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit kommt für jeden Menschen früher oder später, aber für Menschen mit Ängsten ist die Auseinandersetzung mit diesem Thema besonders wichtig.

Wenn man einen Blick auf den Hintergrund der verschiedenen Ängste wirft, lassen sich im Grunde alle Ängste auf die Angst vor dem Tod zurück führen. Die Angst z. B. alleine zu sein und aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden ist letztendlich die Angst zu sterben. Die Angst, vor Menschen öffentlich zu sprechen ist die Angst vor der Scham und der Schande, dahinter liegt die Angst, alleine zu sein und hinter dieser liegt die Angst vor dem Tod. Auch die Angst, dass den Angehörigen etwas geschehen könnte, liegt der Angst zugrunde, alleine zu sein und zu sterben. Die Angst, von einem Hund gebissen zu werden hat als Hintergrund die Angst vor Schmerzen und wiederum die Angst, zu sterben. Immer wieder die Angst zu sterben, die Angst vor dem Tod. Wenn wir uns mit dieser Angst vor dem Tod beschäftigen und es wirklich annehmen können, dass wir irgendwann sterben werden, hilft uns das, die verschiedensten Ängste in unserem Leben loszulassen.

Es ist immens wichtig, dass wir unsere eigene Vergänglichkeit wirklich verstehen und uns mit ihr auseinandersetzen, auch wenn dies keine einfache Erkenntnis ist. Vielen Menschen helfen religiöse oder philosophische Gedanken bei der Tatsache, dass wir sterben werden. Es gibt sehr viele Glaubensvorstellungen, die Menschen unterstützen, besser mit dem Tod zurecht zu kommen, und als solche sind sie völlig legitim, ganz egal, ob es dann nach dem Tod wirklich so kommt, wie man es sich vorstellt. Ich persönlich glaube, dass unsere Seele unendlich lebt und wir in vielen verschiedenen Körpern immer wieder auf die Erde kommen. Für mich ist das eine hilfreiche Vorstellung. Doch selbst wenn jemand der festen Überzeugung ist, dass es nach unserem körperlichen Tod Aus und vorbei ist, ist es sehr hilfreich, sich den Tod vor Augen zu halten.

Letztendlich kommen wir nicht darum herum: Wenn wir die große Angst vor dem Tod überwinden wollen, müssen wir den Tod als etwas völlig Natürliches akzeptieren, als etwas, das so natürlich ist wie das Leben. Das ist eine schmerzhafte Erkenntnis, birgt aber auch viele Geschenke für uns, denn der Tod hilft uns, das Leben mehr zu lieben und zu leben. Der Tod lässt uns die Bedeutung unserer Lebenszeit deutlich werden und hilft uns, zu klären, was wirklich wichtig für uns ist. Mit unserer Endlichkeit vor Augen erfahren wir das Leben bewusster und intensiver und sind motiviert, das Beste daraus zu machen und keinen Tag zu verschwenden. In manchen schamanischen Traditionen wird der Tod als Ratgeber für das Leben angesehen, und das ist genau das, was wir auch machen sollten.